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Tag 27 - von Ponferrada nach Sarria

Mittwoch 22. April 2015

Dies sollte ein ganz spezieller Tag werden, verpisst, frustriert, lustig, interessant und lehrreich - das volle Programm, mehr kann ein Tag fast nicht bieten!

Vor diesem Tag mit dieser langen Etappe und sehr happigen Steigungen hatte ich ordentlich Respekt. Dazu kam noch ein mulmiges Gefühl, weshalb weiss ich nicht. Also Pegasus beladen und ab geht die Post!

Keine überschwängliche Stimmung aufkommen lassen, auch keine Missstimmung, war die Devise. Möglichst rasch den monotonen Tritt finden, damit habe ich in den Bergetappen die besten Erfahrungen gemacht.

Eine nicht zu unterschätzende Komponente: Das Wetter! Das sah für heute alles andere als gut aus - Gewitter, Regen und wieder Gewitter! Dazu kamen noch meine Bergetappen! In den Bergen kann das Wetter bekanntlich sehr schnell wechseln, nach einem kurzen Gewitter kann es auch bald wieder schön sein. Kann, war es aber nicht! Insgesamt 5 Gewitter überfielen mich an diesem Tag! Ausgerüstet bin ich optimal, das Material hat gehalten, das Regenwasser blieb draussen. Nass wurde ich trotzdem: von innen, der Schweiss in diesem Ausmass kann nicht weg! Eindringendes Regenwasser wäre aber viel schlimmer, also so what.

Die Originalroute hätte wieder der Autobahn entlang geführt, parallel mit Feldweg und Jakobsweg, eine richtige Strasse gab es nach Berichten nicht. Dazu hatte ich keine Lust! Radwege nach GPS gesucht, ein Tal daneben gibt es schöne asphaltierte Strassen über die Hügelzüge durch herrliche Gegenden! Diese Route habe ich ausgewählt. Ehrlich gesagt, etwas voreilig, nicht genügend recherchiert! Nicht beachtet, dass auf dieser Route ein paar Hügelzüge mehr zu bezwingen sind. Einen Hügelzug mit ordentlicher Steigung total ohne Akkuunterstützung - unmöglich, zuviel Gewicht! Es kam, wie es nicht hätte kommen sollen - 2 Km vor dem letzten Pass (das wusste ich aber zu dem Zeitpunkt nicht) Ende, aus, Sense - kein Akku mehr, beide leer gefahren. Und was nun? Das nächste Dorf? weiss Gott wo, jedenfalls weit weg! Natelempfang? Den ganzen Tag in den Alpen kein Netz! Allein, mutterseelenallein auf weiter Flur! Nur die Natur, die Strasse, Pegasus ohne Futter und ich! Sollte da jemals ein Auto vorbeikommen? Seit 2 Stunden keines mehr gesehen! Mal das Natel hervor kramschen und was sehe ich da? fast voller Empfang! Erst simste ich mal mit meinem Freund, dem 7. Nothelfer zu Hause und bat ihn, das Hotel anzurufen, dass ich sicher später kommen werde, wenn überhaupt. Wir telefonierten dann noch zusammen und berieten, was er für mich tun könnte in dieser Situation. Es sah ziemlich ausweglos aus! Krisenstimmung hatte ich aber keine, habe ja alle Sorgen beim Cruz de Ferro liegen lassen. Ich hörte ein Motorengeräusch - ein Auto kam wirklich hier den Berg hoch! Nicht einfach ein Auto - ein Lieferwagen mit Kastenaufbau, so sah es jedenfalls von vorne aus. Ich winkte dem Fahrer und machte mit den Armen die Bewegung, mein Vehikel aufladen zu wollen. Er hielt sofort an, stieg aus und fragte, ob er was helfen könne. Es vergingen keine 2 Minuten, da redeten wir Schweizerdeutsch zusammen! Der Mann war Gustavo aus Quiroga. Er war 8 Jahre in der Schweiz, 5 Jahre im Metropolitan in Interlaken. Angefangen als Küchengehilfe, dann Buffet, dann Kellner. Danach 3 Jahre Kellner auf dem Jungfrau Joch.

Er hat mit seiner Frau in Quiroga einen Supermarkt, daneben kauft er das Lebendmaterial für sein Beef im Laden selber ein und bringt es in den Schlachthof, der einer Dorfgemeinschaft gehört. Der Aufbau hinten entpuppte sich als Viehwagen, von nahem betrachtet. Ob und wie er mir helfen könne? Ich erklärte ihm meinen Denkfehler und machte ihm verständlich, dass ich ohne Batterie nicht bergauf fahren könne. Dann schaffst Du es nie bis Sarria, meint er. Es gebe zwar nach dem nächsten Gipfel eine lange Abfahrt, immer wieder unterbrochen durch kurze, heftige Steigungen. Wohin ich denn wolle uns so weiter.

Wenn mir das nichts ausmache, würde er mein Gefährt und mich aufladen, mitnehmen und schlussendlich nach Sarria bringen. Jedoch müsse er zuerst sein Business erledigen. Kein Problem - also Pegasus mit Anhänger in den Viehwagen. Darin war bereits ein junger Muni. Absperrgitter dazwischen, Muni kürzer anbinden und einladen. Anbinden konnte man in dieser Konstellation mein Gefährt nicht optimal, daher beschloss ich, auch hinten einzusteigen. Gustavo war das recht, er wollte mein Gefährt nicht beschädigen. Jetzt ging es um alle Ecken, rauf und runter ohne Ende, aber es ging etwas!

Bei der nächsten Bar am Weg hielt Gustavo an, sein Begleiter Jose Luis und er mussten ja die Kundschaft pflegen, zudem hatten sie Lust auf ein Bier und Erbarmen mit mir hinten im Viehwagen. Überall wo wir auftauchten ein Riesengaudi wenn Gustavo die Hecktüre des Viehtransporters aufmachte und ich herauskam! Ich genehmigte mir ein Glas Rotwein, dazu erhielt ich einige Tapas, das gehört hier einfach dazu.

Dann ging es weiter, total in die entgegengesetzte Richtung, welche ich für mich gebraucht hätte. Gustavo hatte es mir aber angekündigt - es war so in Ordnung. In einem weit entfernten Chrachen hatte er einen zweiten jungen Muni bestellt, den gingen wir jetzt abholen. Auch hier wieder ein Riesengelächter, als ich wieder aus dem Viehwagen kam! Pegasus raus, zweiter Muni rein, wieder absperren, beide Munis richtig anbinden, Pegasus und Steinbock wieder rein! Alle Viecher verladen und ab gings Richtung Quiroga. Wieder über Berg und Tal, Serpentinen, Spitzkehren, Schlaglöcher und weiss Gott was alles. Ausser dem Boden war aber alles sauber hier hinten und ich konnte mich gut festhalten. Angezogen war ich auch gut, die Zugluft machte mir nichts aus, den Helm hatte ich ja noch auf.

In Quiroga gings zum Schlachthof, da wurden die beiden Tiere ausgeladen und zu den anderen wartenden Tiere in die Abteile gebracht. Danach wurde der Viehaufbau innen geschrubbt, gewaschen und desinfiziert, wie es Vorschrift ist. Einzig eine Wanne wie es in der Schweiz vorgeschrieben ist, kennen die hier nicht. Da bleibt nur im Wagen, was unterwegs nicht ablaufen kann! Nun war es blitz blank sauber, Pegasus und Anhänger konnten der Länge nach versorgt und richtig vertäut werden. Somit konnte ich auch vorne in die Kabine, das hat es Platz für 3 Personen. Ein kleiner Hund war auch mit von der Partie, der mochte mich überhaupt nicht leiden und meinte, seinen Chef verteidigen zu müssen. Ihr meint, jetzt gehe es Richtung Sarria? Nein, wir waren ja in Quiroga, das Dorf mit etwa 5000 Einwohnern. Da lebt und arbeitet Gustavo. Jetzt ging es in die Dorfbeiz. Gustavo musste doch seinen Freunden den eroberten Schweizer zeigen!
Das war wieder eine Sache! Ausführlich musste ich erzählen von wo ich kam, alles mit dem Velo? Unglaublich, wie diese Leute mitdenken, wie gastfreundlich die sind! Gustavo meinte, hier müsse ich unbedingt die Paella probieren, da sei die beste weit und breit. Ich probierte und wirklich sensationell! Dazu ein Glas Rotwein, ich musste ja immer daran denken, die Vorräte abbauen zu helfen! Ich wollte bezahlen, aber das gelang mir nicht. Gustavo meinte, bezahlen könne ich dann in der Schweiz, hier sei er der Chef! Inzwischen ging es Richtung 22 Uhr, ich hätte bis 18 Uhr im Rectoral de Goian, 10 Km ausserhalb von Sarria einchecken sollen. Ich bat Gustavo, ob er nicht anrufen könne? Machte er, und zugleich erklärte ihm der Inhaber der Ferienanlage, wo genau die Lage ist.
Gustavo rief noch seine Frau an, damit sie wusste, warum er so lange nicht nach Hause kam. Seine Frau wollte mitkommen, es war doch ziemlich spät, ein Weg 60 Km! Wegen dem Einschlafen war das sicher gescheiter. Der Freund Jose Luis blieb in der Dorfbeiz. Der kleine Hund und ich hatten uns inzwischen angefreundet - was doch ein paar Brocken Brot und Tortilla ausmachen! Los gings Richtung Sarria. Mit der Frau konnte ich nicht direkt sprechen, da sie nur spanisch spricht, aber über Gustavo war das perfekt. Er blieb durch die Unterhaltung wach und so gab es immer wieder über Erlebnisse zu berichten, die er in der Schweiz gemacht hatte. Wenn Du Dich in Spanien als Schweizer zu erkennen gibst, bist gleich wohlgesinnt aufgenommen! Alle haben eine gute Meinung über die Schweiz und ihre Bewohner. Viele waren schon mal in der Schweiz oder kennen jemanden, der da war.

Um 23 Uhr erreichten wir da Rectoral de Goian. Gustavo half beim ausladen und erst als er sicher war, dass ich gut aufgehoben und eine sichere Bleibe für die Nacht hatte, verabschiedete er sich. Gustavo - Du bist ein sehr guter Kumpel - ich danke Dir herzlich für Deine Hilfe und Deine Gastfreundschaft! Ich hoffe, dass Du mal in die Schweiz kommst und ich mich revanchieren kann! Machs gut und auf Wiedersehen! Ich todmüde - nur noch eines - sofort den einen Akku an den Strom - ins Bett - Wecker auf 04.00 stellen um den 2. Akku futtern zu können und weg war ich, im Land der Träume.

Gefahrene Kilometer an diesem Tag 85, zusätzlich die letzten 15 mit dem Viehtransporter! Alles in allem - ein guter Tag! Ohne meine Unachtsamkeit hätte ich Gustavo und sein Umfeld nicht kennen gelernt - alles Leiden und aller Ãrger waren nicht umsonst gewesen, diese Begegnungen haben alles aufgewogen!

So dann, bis morgen!