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Tag 20 - Ruhetag in Najera

Mittwoch 15. April 2015

Waaaas, schon wieder Ruhetag?

Ja, ist mein 4. seit dem 27. März und gestrampelten 1600 Kilometern - Müdigkeit ist aber nicht das Thema. Doch eins ums andere.

Komisch gestern Abend bei den beiden Damen im Meson "El Buen Yantar". Ich verabschiedete mich von beiden. Die eine war etwas weiter hinten, ich winkte ihr zum Adieu sagen. Anstatt zu winken, schickte sie mir eine Kusshand und rief mir auf italienisch nach: a domani. Hä? A domani? Signora - „domani“ bin ich mit dem Velo unterwegs, ab und fort!

Heute morgen fragte mich die Chefin des Hauses, ob sie mir einen frisch gepressten Orangensaft machen dürfe? Sie durfte, noch so gerne. Das Wetter werde schlecht, sagte sie ich solle nur mal schauen. Ich wählte meine Position so, dass ich während dem Frühstück fernsehen konnte. Lustig - in Frankreich und in Spanien laufen jeweils grosse Fernseher in den Gaststätten, immer, und immer volle Pulle. Wenn da ein Fussballmatch läuft, musst dem Kellner auch mal einen faux pas verzeihen können! Nun sah ich es also selbst - wirklich schlechte Aussichten, vor allem heute.

Mein Weatherpro auf dem iPad zeigte zwar heute noch einigermassen ok, morgen Donnerstag schlecht. Angekündigt hatte sich der Wetterumsturz gestern schon, Richtung Berge wurde es gestern zunehmend schwärzer und der Wind pustete mit recht hohen Geschwindigkeiten und pulsierenden Böen. Es war recht gefährlich bei Abfahrten, da brauchte ich manchmal die halbe Strasse!

Während dem Morgenessen überlegte ich mir die Sache:
Bisher hatte ich riesiges Wetterglück, ausser beim Start in der Schweiz, da hatte ich wirklich Pech. Bei gutem Wetter wie gestern habe ich mich immer an die Worte von meinem Kumpel Bruno Geissmann erinnert. Als ich ihm ein Kompliment machte, weil er täglich zwischen 30 und 40 Kilometer geht meinte er bescheiden: Weisst Du, ich habe ja nichts anderes zu tun als zu gehen. Ja, obwohl ich gestern 137 Km abgespult hatte, habe ich die Fahrt durch die Rebberge, die Fahrt durch die herrliche Gegend mit schönen Dörfern sehr genossen. Sonst würde ich ja nicht immer wieder anhalten und Fotos machen, wenn ich kein Auge und keine Zeit dafür hätte. In den Regen reinfahren, dazu hatte ich heute keine Lust, zu frieren auch nicht. Es war recht kühl und stark bewölkt als ich die Chefin fragte, ob ich noch eine Nacht bleiben dürfe. Sie schaute kurz nach und sagte zu. Nach meiner persönlichen Marschtabelle bin ich ja eh weit voraus, eben um mal die Fünfe gerade sein lassen zu können.

Ein Ruhetag in Najera! Mir dem Velo hast alle vorhandenen Strassen innerhalb einer Viertelstunde abgespult, gross ist das Dorf demzufolge nicht, Bewohner ca. 8 - 9'000. Ausgedehnter Spaziergang durch alle Strassen und Gassen in der Ortschaft und längere Zeit entlang dem Fluss Rio Najerilla, welcher mitten durch die Ortschaft fliesst. Auf einer Parkbank am Fluss liess ich mich nieder und spürte sofort eine mich erfassende innere Ruhe. Ich konnte tief in meine gestrigen Gedanken und Gefühle eintauchen.

Lebensabschnitt ist ein für mich erhebliches Thema! Nimm mal das Wort auseinander: Leben und Abschnitt, Abschnitt kann eine Dekade von beispielsweise 7 Jahren sein, es kann aber auch abschneiden bedeuten! Abschneiden, Verlust, wegwerfen, nicht mehr benötigen, warum schneidet man denn etwas ab? Klar kommen mit zunehmendem Alter solche Gedanken vermehrt in einem hoch. Bei mir hat sich das letztes Jahr verstärkt, vor, während und nach der Operation. Vom Moment an, wo Du weisst dass etwas ist, das man rausschneiden muss (Abschnitt?) bis zum Zeitpunkt, wo der Bescheid eintrifft, dass alles in Ordnung ist, vergingen bei mir 3 Monate. Drei Monate hartes bangen, hoffen, hinterfragen, beten. Das hat weder mit Gläubigkeit noch mit Religion noch mit Esoterik zu tun, da geht es ganz einfach um dich. Und darum, ob und auf welche Art und Weise Du weiterleben wirst.

Diese Situation hat mein Denken massiv verändert! Plötzlich betrifft das Problem nicht den vierten oder fünften neben dir - nein es betriff ausschliesslich dich selbst.

Ja aber ich habe und hatte doch noch so viele Pläne! Ja herrculani, habe ich jetzt das halbe Leben verpasst? Was habe ich denn verpasst? Hätte ich mehr arbeiten sollen - noch mehr? Hätte ich mehr Ferien machen sollen? Hätte ich mehr geniessen sollen? Ist jetzt dann bald Schluss? Muss ich alles runterfahren? Soll ich so weitermachen wie bis anhin? Muss ich was ändern? Ja was denn? Einstellung? Lohnt sich das noch? Kann ein alter Affe plötzlich rückwärts den Baum raufklettern lernen? Soll ich noch lieber werden mit den Mitmenschen - Altersmilde? Soll ich härter werden, böser - Altersbosheit?

HP Kerkeling hat in seinem Buch "Ich bin dann mal weg" geschrieben, dass jeder auf seinem Jakobsweg einmal weinen wird. Ich habe das zur Kenntnis genommen, dem aber keine weitere Bedeutung zugemessen, bis heute. Heute hat's mich erwischt. Ich geb's zu und ich schäme mich nicht dafür - heute habe ich geweint, geheult wie ein Schlosshund, es hat mich geschüttelt und gebeutelt. Einfach so, ich kann den Auslöser nicht benennen, brauch ich auch nicht - es hat gut getan! Tränen klären und säubern, spülen Staub aus den verstopften Unterbewusstseinskanälen.

Eins kommt schon mal durch: Nicht für die anderen, nicht für mein Umfeld muss ich Veränderungen in Betracht ziehen! Ich muss nur endlich lernen, das zu machen, was für mich passt. Ohne im Voraus schon abzuchecken, ob das für andere auch gut ist. Den Start dazu habe ich mit dem Jakobsweg gemacht, ich bin stark am Lernen.

Ja meine Lieben, jetzt habe ich aber tiefen Einblick in mein Inneres gewährt, entspricht überhaupt nicht meinen Gepflogenheiten. Danke für's Mitgefühl!

Jetzt gehe ich nochmals an den Fluss, nochmals für mich alleine sein, spüren und geniessen! Später werde ich dann bei den Damen im Meson "El Buen Yantar" das Nachtessen einnehmen. Ich werde wieder davon berichten.

Morgen gehts mit neuem Elan Richtung Burgos - a domani!